8 Mai, 2025 Karsten Schulze

Gedenkrede zu 80 Jahre Kriegsende

gehalten bei der Gedenkveranstaltung auf dem Friedhof Buschkrugallee

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Anwesende,

wir stehen heute hier, 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, um an das unermessliche Leid, das dieser Krieg über Europa und die Welt gebracht hat, zu erinnern. Über 60 Millionen Menschen verloren ihr Leben. Millionen wurden verfolgt, vertrieben, ermordet. Ganze Städte wurden in Trümmer gelegt, Gesellschaften zerfielen, Wunden rissen auf, die in vielen Familien bis heute nicht verheilt sind.

Doch das Ende dieses Krieges war nicht nur ein militärischer Schlusspunkt. Es war eine Mahnung. Eine Mahnung, dass Frieden niemals selbstverständlich ist. Dass Hass, Nationalismus und Machtgier nie wieder die Oberhand gewinnen dürfen. Und es war auch ein Neuanfang – für Versöhnung, für Demokratie, für eine gemeinsame europäische Zukunft. Und an dieser Zukunft haben die europäischen Völker so intensiv gearbeitet.

Heute, 80 Jahre später, blicken wir in eine Welt, die diese Mahnung bitter nötig hat.

Seit über zwei Jahren tobt der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine – mitten in Europa. Städte wie Mariupol, Butscha oder Charkiw stehen heute für Zerstörung, für Leid, für Vertreibung. Die Bilder, die uns erreichen, erinnern uns daran, dass die Geschichte nicht fern ist. Dass Frieden kein Zustand ist, den man einmal erreicht – sondern eine Aufgabe, die uns täglich fordert.

Auch im Nahen Osten eskaliert erneut ein jahrzehntelanger Konflikt. Die Gewalt zwischen Israel und der Hamas hat furchtbare Folgen für unzählige Zivilisten – Frauen, Männer, Kinder. Angst, Hass und Leid bestimmen den Alltag vieler Menschen, und jeder neue Tag bringt die Gefahr einer weiteren Eskalation. Noch immer sind Geiseln in der Hand der terroristischen Hamas und viele Angehörige bangen noch immer.

Was also bedeutet Gedenken am 80. Jahrestag des Kriegsendes?

Es bedeutet, sich der Verantwortung zu stellen – persönlich, politisch, gesellschaftlich. Es bedeutet, nicht wegzusehen, wenn Menschenrechte verletzt, wenn Krieg geführt wird. Es bedeutet, Haltung zu zeigen – gegen Antisemitismus, gegen Rassismus, gegen jede Form von Gewalt und Ausgrenzung. Gedenken heißt, aus der Geschichte zu lernen. Aber Lernen heißt nicht bloß erinnern – es heißt handeln. Es heißt, Frieden nicht nur zu wünschen, sondern aktiv zu schützen. Durch Diplomatie, durch Unterstützung derer, die für Freiheit und Demokratie kämpfen. Wir können die Vergangenheit nicht ändern. Aber wir können beeinflussen, wie wir mit ihr umgehen. Und wir können entscheiden, in welcher Welt wir leben wollen – und in welcher Welt unsere Kinder leben werden.

Der Zweite Weltkrieg hat gezeigt, wozu der Mensch fähig ist – im Guten wie im Bösen. Möge unser heutiges Gedenken ein Versprechen sein: Nie wieder soll Hass stärker sein als Menschlichkeit. Nie wieder soll Krieg unsere Antwort sein. Nie wieder soll Schweigen unsere Haltung sein.

Danke für die Aufmerksamkeit!